Samstag, 3. Mai 2014

Echte Mädchen

Wenn ich mich mit den mir angebotenen Jobs, Jahresgehältern und Aufgabenstellungen gedanklich und emotional auseinandersetze, komme ich immer häufiger auf die Idee zurück, vielleicht doch lieber einen eigenen Laden zu eröffnen :-)
Aber leider weiß ich immer noch nicht, was ich in diesem Laden anbieten soll ...
Da kommt der folgende, sehr amüsante Text von Katinka Buddenkotte gerade recht:

"Echte dreißigjährige Mädchen, also solche, wie ich eins werden möchte, kann man am besten in ihren Arbeitswelten studieren. Diese sind an sich schon ein Naturphänomenen: Sie befinden sich stets in jenen Vierteln einer Großstadt, die schwer im Kommen sind. Meistens sogar so schwer im Kommen, dass sie es nie ganz schaffen werden. Genau dort aber können die Mädchen mit ihrem Nestbau beginnen. Instinktiv finden sie ein abgewracktes Ladenlokal im Souterrain, aus dem man mit viel Liebe etwas machen kann.
Und sie machen immer einen Taschenladen daraus. Ein richtiges Mädchen-Lädchen. Und neben diesen selbst entworfenen, riesigen Taschen entstehen in den dem winzigen Lädchen angeschlossenen Werkstätten auch noch winzige niedliche Röckchen.


So werden andere echte Mädchen angelockt, die sich aber schweren Aufnahmeprüfungen unterziehen müssen, bevor sie ein Stück aus der Mädchen-Lädchen-Kollektion ihr Eigen nennen dürfen. Denn ein echtes Mädchen-Lädchen hat nur mittwochs von elf bis drei geöffnet, außer, man steht zufällig an einem Mittwoch davor, dann hat es Ferien. Sollte man aber die wenigen Minuten dazwischen erwischen, an dem das Chef-Lädchen-Mädchen eine Audienz gewährt, gibt es nur eine Parole, die einem zum tatsächlichen Eintritt in ihr Reich gewährt. Und dieses lautet bestimmt nicht: "Ich schau mich nur um", oder: "Guck mal, das ist doch so ähnlich wie der Kram, den die Anne-Marie damals gemacht hat." Die einzige Möglichkeit, unbeschadet in solche Lädchen hineinzugelangen, besteht darin, erstarrt auf der ersten Stufe stehen zu bleiben und dann so ergriffen wie möglich zu rufen: "Das ist ja unglaublich, wie viel Arbeit dahintersteckt. Und Kreativität! Das hat ja so was gaaaaaanz Eigenes. Toll!"

Einem echten Mädchen wird dieser Teil der Integration keinerlei Probleme bereiten.
Direkt im Anschluss schnappt es sich zwei, drei der winzigen Röckchen und überlegt angestrengt, ob es zwei oder drei von ihnen erwerben will, denn obwohl sie alle total unterschiedlich sind, passen sie perfekt zu den karierten Schnürstiefeln, die es sich in der Woche zuvor geleistet hat. Entscheidet es sich schließlich für drei der gestreiften Stofffetzen, bekommt es von der Chefin höchstpersönlich noch einen fragwürdigen Button geschenkt, der aus einem alten Waschlappen gefertigt wurde und regulär 12 Euro kostet.
Im Idealfall beschließen das Chef-Mädchen und das Einkaufsmädchen, mal etwas zusammen zu machen, denn das Einkaufsmädchen kennt sich zufällig mit dem Gestalten von Internetseiten ein wenig aus, und es wird sich geeinigt, wie wichtig Networking sei."

Katinka Buddenkotte "Wenn ich ein Mädchen wär" aus "Mit leerer Bluse spricht man nicht",  dtv 21230; http://de.wikipedia.org/wiki/Katinka_Buddenkotte

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