Donnerstag, 22. Mai 2014

Der kleine Zirkuselefant

© Fischer Schatzinsel
In einem Wanderzirkus kommt ein Elefantenbaby zur Welt. Niemand hat Zeit, sich ständig um das Tier zu kümmern und aufzupassen, dass es nicht wegläuft. Deshalb behilft sich der Wärter so: Er rammt einen Pflock in die Erde, bindet das Seil daran fest und befestigt das andere Seilende am Hinterbein des Tieres. Auf diese Weise gibt er dem Elefanten eingeschränkte Bewegungsfreiheit und verhindert zugleich, dass dieser fortläuft. Der Elefant erobert nun seine Welt, indem er in alle Himelsrichtungen so weit geht, wie das Seil es zulässt. So entsteht ein durch die Länge des Seils vorgegebener Kreis.

Nach einer Weile hat der Elefant entdeckt, was es innerhalb des Kreises zu entdecken gibt. Er macht die Erfahrung, dass es ihm im Kreis gut geht und dass jeder Versuch, den Kreis zu verlassen, schmerzhaft ist. Das Seil zerrt an seinem Bein, für seine Möglichkeiten ist der Pflock zu fest in der Erde verankert. Er beschränkt sich also auf "sein Reich", in dem er sich gut auskennt und tritt hier den Boden fest.

Nun geht Zeit ins Land, der Elefant wird größer und kräftiger. Irgendwann könnte er den Pflock mühelos aus der Erde ziehen - doch der Elefant hatte ja Erfahrungen gesammelt. Es hatte "gelernt", dass es keinen Sinn macht am Pflock zu ziehen und dass der Versuch, den Kreis zu verlassen, schmerzhaft ist. Er richtet sich in seiner Komfortzone behaglich ein, und die Welt "da draußen" ist für ihn nicht mehr erreichbar.

Thomas Neufert, Petra Preuß
nach Jorge Bucay "Wie der Elefant die Freiheit fand"
http://www.zeit.de/2010/45/Luchs-Bucay

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