Samstag, 20. September 2014

Kafkas Witwe

Mit der ihm eigenen Ironie, nicht ohne verschmitzten Stolz, pflegt der großartige Verleger Klaus Wagenbach sich vorzustellen: »Ich bin Kafkas Witwe.« In der Tat, es gibt kaum einen besseren Kenner dieses abgründig-verwinkelten Werks. Auch ich wäre gerne eine Kafka-Witwe und wünschte mir vor allem, ihn nicht wie Milena Jesenská im Stich gelassen zu haben, als er sie am meisten brauchte und ihr diese erschütternden Worte schrieb:
Es ist etwa so: ich, Waldtier, war ja damals kaum im Wald, lag irgendwo in einer schmutzigen Grube (...) da sah ich Dich draußen im Freien, das wunderbarste, das ich je gesehen hatte, ich vergaß alles, vergaß mich ganz und gar, stand auf, kam näher, ängstlich zwar in dieser neuen Freiheit, kam aber doch näher, kam bis zu Dir, Du warst so gut, ich duckte mich bei Dir nieder, als ob ich es dürfte, ich legte das Gesicht in Deine Hand, ich war so glücklich, so stolz, so frei, so mächtig, so zuhause, immer wieder dieses so zuhause - aber im Grunde war ich doch nur das Tier, gehörte doch nur in den Wald, lebte hier im Freien doch nur durch Deine Gnade, las ohne es zu wissen (denn ich hatte ja alles vergessen) mein Schicksal von Deinen Augen ab. Das konnte nicht dauern (...)
Milena hat Angst, möchte sich nicht von ihrem Mann trennen; Kafka muss wieder in den Wald zurück. Dabei war sein Gedanke immerzu: "wenn ich sie nur mitnehmen könnte ..."

Milena starb am 17. Mai 1944 an den Folgen einer Nierenoperation im Alter von 48 Jahren im KZ Ravensbrück. Margarete Buber-Neumann (1901—1989) beschreibt in ihrem Buch "Milena, Kafkas Freundin" die sich entwickelnde Freundschaft zwischen den beiden Frauen und deren letzten Monate im Konzentrationslager. Mit diesem Vermächtnis erfüllte Margarete Buber-Neumann den letzten Wunsch Jesenskás.
http://de.wikipedia.org/wiki/Milena_Jesensk%C3%A1

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