Dienstag, 7. Januar 2014

Buchtipp

Als Buchhändlerin im Herzen möchte ich euch heute eines meiner Lieblingsbücher ans Herz legen: Helene Hanff  "84 Charing Cross Road - Eine Freundschaft in Briefen". Eine Hymne auf die Literatur und auf die Freundschaft ist der Briefwechsel zwischen der klugen, schlagfertigen New Yorkerin Helene Hanff und dem liebenswerten Londoner Buchhändler Frank Doel. Durch Zufall stößt die Bühnenschriftstellerin Ende der vierziger Jahre auf die Adresse der Buchhandlung Marks. Eine neue Quelle für schwer aufzutreibende Bücher? Die Autorin greift zur Feder, ohne zu ahnen, dass ihre Zeilen der Beginn einer jahrzehntelangen Brieffreundschaft sind.

Hier ein kleiner Auszug des Briefwechsels:



Marks & Co. - Buchhandlung
84, Charing cross Road
London, W.C. a

25. März 1950

Frank Doel, was TUN Sie eigentlich da drüben?? Sie tun gar NICHTS, Sie sitzen nur HERUM! Wo bleibt Leigh Hunt? Und wo die "Oxford Gedicht-Anthologie"? Wo bleibt die Vulgata und wo der liebe, vertrottelte John Henry? All das wäre eine so nette aufbauende Lektüre für die Fastenzeit gewesen... und Sie schicken mir absolut nichts! Sie lassen mich hier sitzen und lange Randbemerkungen in Bibliotheksbücher schreiben, die mir nicht gehören. Eines Tages wird das herauskommen, und sie werden mir den Bibliotheksausweis wegnehmen.
Ich habe mit dem Osterhasen eine Abmachung getroffen, Ihnen ein Ei zu bringen. Er wird rüberkommen und feststellen, dass Sie an Untätigkeit verstorben sind.
Für den nahenden Frühling brauche ich unbedingt einen Band mit Liebesgedichten. Keinen Keats oder Shelley! Schicken Sie mir Dichter, die Liebe machen können, ohne zu sabbern - Wyatt oder Jonson oder irgendeinen anderen... denken Sie sich selbst etwas aus. Einfach ein schönes Buch, schmal genug, um in eine Anzugtasche gesteckt und in den Central Park mitgenommen zu werden. Also sitzen Sie nicht nur herum! Spüren Sie es auf! Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie dieser Laden existieren kann.

Und hier kommt Frank Doel zu Wort:

Fräulein Helene Hanff
14 East 95th Street
New York 28, New York
USA 

9. April 1950

Liebes Fräulein Hanff!
Ich vermute, dass Sie ein wenig besorgt darüber sind, dass wir Ihnen noch nicht für die Pakete gedankt haben, und vermutlich halten Sie uns für einen undankbaren Haufen. In Wahrheit war ich kreuz und quer im ganzen Land unterwegs, um auf den verschiedensten Herrensitzen Englands einige Bücher zur Auffüllung unseres beschämend leeren Lagers zu ergattern. Meine Frau fing schon an, mich als Untermieter zu bezeichnen, der nur nach Hause kommt, um zu schlafen und zu frühstücken, aber als ich mit einem schönen Stück Fleisch heimkam, von dem Eipulver und dem Schinken ganz zu schweigen, hielt sie mich natürlich für einen famosen Kerl, und alles war vergeben. Es ist lange her, dass wir soviel Fleisch am Stück sahen.
Wir würden unsere Wertschätzung gerne auf irgendeine Weise zum Ausdruck bringen, und deshalb schicken wir Ihnen heute als Büchersendung einen kleinen Band, von dem ich hoffe, dass er Ihnen gefällt. Ich erinnere mich daran, dass Sie mich vor einiger Zeit um einen Band mit elisabethanischen Liebesgedichten baten - nun gut, das, was ich gefunden habe, kommt dem am nächsten.

Herzliche Grüße
Frank Doel
Im Auftrag von Marks & Co

Und hier noch einmal Helene Hanff:

Marks & Co. - Buchhandlung
84, Charing cross Road
London, W.C. a

2. November 1951

Sie rasender Blitz!
Sie machen mich ganz schwindlig, wenn Sie mir Leigh Hunt und die Vulgata mit solch atemberaubender Geschwindigkeit herüberschicken. Wahrscheinlich ist Ihnen nicht klar, dass ich sie vor kaum länger als zwei Jahren bestellte. Wenn Sie in diesem Tempo fortfahren, werden Sie einen Herzinfarkt bekommen!
Das ist gemein. Sie machen sich soviel Mühe meinetwegen, und niemals danke ich Ihnen das. Immer piesacke ich Sie, das ist gemein. Ich bin wirklich sehr dankbar für all die Mühe, die Sie sich machen. Ich lege drei Dollar bei, über den obersten habe ich Kaffee geschüttet, tut mir Leid, das lässt sich nicht auswaschen, aber ich glaube, er ist noch gut, und man kann ihn noch erkennen. Führen Sie zufälligerweise gebundene Vokalpartituren? Wie Bachs "Matthäus-Passion" oder Händels "Messias"? Wahrscheinlich könnte ich sie hier bei Schirmer bekommen, aber das ist fünfzig kalte Häuserblocks von meiner Wohnung entfernt, und so dachte ich mir, ich frage erst einmal Sie.
Meine Glückwünsche zu Churchill & Co.; hoffe, er lockert Ihre Rationalisierungen ein wenig.
Ist Ihr Name walisisch?

HH

Franks Antwort auf diesen Brief ist einfach göttlich, aber ich kann jetzt leider nicht das ganze Buch abschreiben ;-)

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